Präambel

DIE WELT IST EINE SCHEIBE

(Jazz-)Music and the Recording Business  – von der Planung über die Herstellung bis hin zur Vermarktung.

Die Entwicklung der Musik des 20. Jahrhunderts und des Jazz im Speziellen ist auf das Engste verbunden mit der Entwicklung des Tonträgers und der Tonträgerindustrie. Und wenn auch die Bedeutung der verschiedenen Speichermedien (von der Schellack, über die Vinylschallplatte, bis hin zur CD und zur Serverfarm) einem stetigen Wandel unterlief, so hat sich neben der Wiedererweckung der LP die CD als digitales, haptisch erfahrbares Medium – ungeachtet zurückgehender allgemeiner Verbreitung – bis jetzt als Medium erhalten. Dabei liegt ihre Bedeutung derzeit scheint es weniger in ihrer Rolle als ökonomisch vielversprechendes Objekt der Begierde denn als Promotion-Tool und musikalische Visitenkarte.

Nach rund 100 Jahren technologischer Entwicklung hat die Tontechnik ein gewaltiges Know-how entwickelt. Der wichtigste Schritt war dabei sicher die Digitalisierung sämtlicher Abläufe und Prozesse seit den 1990er-Jahren. Diese ermöglichte neben digitaler Emulation analoger Klangveränderung erstmals verlustfreie Datenkopie und -Transfer. Heute ist es ohne Weiteres technisch möglich (und üblich) in Real-Time disloziert zu schon existierenden Aufnahmen zu spielen, seine eigenen Spuren bis hin zur Unkenntlichkeit nachzubearbeiten und im Prozess der Audiomischung etwa akustisch unerhörte künstliche Hörräume zu erschaffen. Gleichzeitig haben sich im Wandel der Stile und Epochen auch typische Klangbilder etabliert, auf die man heute im Zeitalter der Postmoderne wahllos zurückgreifen kann.

Mit der Digitalisierung unserer gesamten Welt erleben wir jedoch zur gleichen Zeit auch einen ökonomischen Niedergang der Tonträgerindustrie. Die Möglichkeit, die Produktionsabläufe in die eigene Hand zu nehmen, wurde vor allem in dem ökonomisch prekären Segment des Jazz oftmals eine Notwendigkeit. Künstler*innen wie etwa der österreichische Trompeter und Komponist Michael Mantler und seine damalige US-amerikanische Frau, die Pianistin und Komponistin Carla Bley gründeten schon in den späten 1960er-Jahren das Musikerlabel WATT. Im selben Maße, in dem sich in den folgenden zwanzig Jahren die sogenannten Major Labels (Columbia Records, WARNER etc.) aus ökonomisch für sie wenig ergiebigen Bereichen zurückzogen, bauten die Künstler*innen selbst entsprechende Strukturen auf. Viele der Labels, die sich derzeit am deutschsprachigen Markt um Nachwuchsförderung kümmern, sind daher auch Musiker-geführte Labels. Hier seien beispielhaft angeführt die Labels KLAENG Records, material records, NWOG Records, UNIT und Sessionworks Records.

Ziel dieser Veranstaltung ist es, die im Zusammenhang mit der Erstellung eines Tonträgers wichtigen Parameter ausgiebig zu beleuchten und zu hinterfragen. Dabei wird Raum gegeben gleichermaßen dem akademischen Diskurs (Bedeutung der Tonträger, wie steht es in diesem Zusammenhang um die Bedeutung audio-visueller Medien usw.) wie auch Fragen aus der Praxis (technische Mindestausstattung für mein Homerecording-Studio, welche Rolle spielt die Promotion, Budgetkalkulation usw.). Modellhaft und exemplarisch werden unterschiedlichste Produktionsszenarien gemeinsam betrachtet und diskutiert.

Heinrich von Kalnein, Graz